Eins und Alles – Installation, Objekt und Grafik von Renate Wiedemann
Was geschieht, wenn sich Buchstaben aus ihren Wortgebilden oder alphabetischen Reihen lösen und zu autonomen graphischen Zeichen werden? Was entsteht, wenn 500 bis 1200 gleichförmige dickwandige historische Cola-Flaschen auf dünnen Bambusstelzen ein im wahrsten Sinne des Wortes fragiles Gleichgewicht im Raum darstellen? Nichts ist statisch. Alles bleibt im Fluss und ganz nebenbei finden sich umfassende Zusammenhänge aus Natur, Geschichte, Architektur, Licht und Raum auf das Wunderbarste vereint.
Immer neu gelingt es der Bildhauerin Renate Wiedemann, vielschichtige Prozesse anzustoßen und daraus resultierende Strukturen auszuloten, in denen „eins und alles“, Kern und Ganzes verschmelzen – mit größtmöglicher Präzision und voller Poesie – die sich auch in den feinsinnigen Werktiteln spiegeln.
Ob auf dem Papier oder im Raum, schwarz auf weiß oder mit Materialien aus der Natur oder unserem Alltag: Linie um Linie, Stück um Stück setzt Renate Wiedemann ihre Zeichen zusammen, um aus dem allseits bekannten Einzelnen ein so nie gesehenes Ganzes zu schaffen und es aus sich heraus, aus der ihm gegebenen eigenen Form organisch oder linear zu entwickeln und zu verwandeln.
Auf diese Weise entstehen freie Bewegungsmuster, die sich mit immer neuer Dynamik ordnen, komprimieren oder entfalten und einen eigenen künstlerischen Kosmos beschreiben, der die Wahrnehmung für jedes einzelne Glied der Struktur schärft, um gleichwohl das Ganze zu fokussieren.
Jedes Werk der Künstlerin zeigt sich Im Kleinen und Ganzen – als eins und alles, als Summe einander bedingender Teile, die seismographisch und mit leisen Tönen ein ganz eigenes Universum beschreiben.
Seit dem Abschluss ihres Bildhauer-Studiums als Meisterschülerin von Inge Mahn lebt und arbeitet Renate Wiedemann in Berlin. Sprache als Ausdrucksträger und Material spielt in ihrem Werk eine besondere Rolle. Präzise, sachlich und voller Hintersinn benennt die Bildhauerin ihre Wortgeschöpfe – so dingliche wie sinnliche Strukturen und oszillierende Resonanzräume.
Fotos © Gehard Haug